Das Geschäft mit der Nostalgie
Als ich klein war, liebte ich es, Filme zu schauen. Durch den großen Röhrenfernseher im Wohnzimmer konnte ich in andere Welten eintauchen. Voller ungewöhnlicher Freunde, angsteinflößender Monster, deren Bezwinger und Landschaften, die nicht einmal ein Renaissance-Maler schöner hätte darstellen können. In einem Wort: Es war Magie. Und selbst mit zunehmendem Alter ist dieses Gefühl für jeden aus meiner Generation immer noch so greifbar, dass man sich, sollte man den ein oder anderen tristen Moment erleben, immer gerne an diese Orte seiner Kindheit zurückflüchtet – auch wenn es manchmal nur für einen kurzen Moment ist.
Die Rede ist natürlich von Disney.
Doch in den letzten Jahren hadere ich etwas. Es ist fast so, als würden die Erinnerungen immer mehr verwässern. So, als würde man alles durch eine Milchglasscheibe betrachten. Wenn ich heute mit meinem Neffen ins Kino gehe, sehe ich eine andere Art von Filmen, eine andere Art von Monstern – die Art, die eigentlich gar keine sein sollten. Aber lasst mich etwas ausholen.
Meine erste Begegnung mit dem neuen Image, welches Disney so verzweifelt versucht zu erlangen, war an dem Tag, als ich “Die Schöne und das Biest“ zum ersten Mal im Fernsehen sah. Schon seit einer Weile hatte ich mich nicht mehr mit den neuen Erzeugnissen aus dem Hause Disney beschäftigt. Teenageralter, Beziehungen und Partys verlagerten meinen Fokus immer stärker hin zu meinem sozialen Umfeld und weg von den Zauberwelten meiner Kindheit. Ich werde niemals das Gefühl vergessen, als ich die scheinbar mit der Brechstange animierte 3D-Fratze des Biestes erblickte. Und versteht mich nicht falsch: “Die Schöne und das Biest” ist sicher noch eine der besseren Realfilm-Adaptionen. Auch wenn ich Emma Watsons Darstellung der “Belle” für überaus sorgfältig ausgearbeitet halte, besonders in Bezug auf das Ursprungsmaterial, komme ich doch nicht umher zu sagen, dass dies der erste Disney-Film war, der mir nicht mehr dieses Gefühl von Magie beschert hatte.
Lange habe ich mir eingeredet, dass es an mir läge. Dass ich einfach nicht mehr in der Lage wäre, es zu verspüren. Doch mit der Geburt meiner Neffen kamen weitere Ernüchterungen. “Der König der Löwen” glich einer National Geographic-Parodie mit sprechenden Tieren, die so realistisch, so barbarisch und blutrünstig aussahen, dass mein Neffe vor lauter Angst das Kino verlassen musste. Das Gleiche gilt im Übrigen für das “Dschungelbuch”. Über Will Smiths vergebene Versuche, Robbie Williams komödiantischem Timing nachzueifern, muss man gar nicht erst sprechen.
Doch wieso, fragte ich mich? Was ist aus der Traumfabrik geworden, die einst allen Kindern dieser Welt Träume und Erinnerungen schenken konnte, welche noch bis ins Erwachsenenalter nachhallen würden?
Wenn ich ehrlich bin, weiß ich es nicht. Ich denke, eine mögliche Erklärung könnte die Gewinnmaximierung sein. Das Totreiten von Marken wie Star Wars, Fluch der Karibik oder den oben erwähnten Remakes geschieht, weil es einfach mit weniger Risiko einhergeht, altes, bereits etabliertes Material wieder aufzuwärmen, anstatt kreative, neue Ansätze zu finden.
In den letzten Jahren ist der Schrei nach Retroprodukten, Nostalgie und der Rückkehr zu scheinbar infantilen Beschäftigungen sehr viel lauter geworden. Und wieso? Unzufriedenheit und der Wunsch, die eigene Kindheit wiederzuerlangen.
Google Trends nach Suchbegriff: Retro
Außerdem sind Dinge wie CGI-Effekte, Motion Capturing und durch KI unterstützte Filmbearbeitung heute so zugänglich und günstig wie nie zuvor.
Meiner Meinung nach führen diese Dinge langfristig jedoch nicht dazu, dass alles effektiver und schöner wird. Stattdessen verdrängen sie nach und nach die kantigen, gezeichneten, handgemachten Erinnerungen unserer Kindheit aus unseren Köpfen und ersetzen sie durch glattgebügelte Phantome, die mit der Kunst von damals nur noch den Namen gemeinsam haben. Es betrifft nicht nur Disney, sondern auch Marken wie Bob der Baumeister, die Teenage Mutant Ninja Turtles und die Ghostbusters. Dies geschieht, wenn man Marken einfach nicht sterben lassen will, weil die Gier nach Profit noch vor der Kunst diktiert, was es sich lohnt zu bewahren.
1987 vs. 2007
Doch wenn man sich die Gewinne der letzten Jahre so anschaut, könnte man vielleicht doch nochmal auf ein Wunder hoffen. Erst kürzlich behauptete der Konzern, dass man sich wieder mehr auf alte Formate konzentrieren wolle und somit wieder Qualität über Quantität stellen möchte.
Solange das Geld nun mal stimmt, wird die Kunst sich die Kunst wohl aber doch immer ergeben müssen – wir bleiben gespannt…